Deutscher Arbeitsvertrag gilt trotz mangelnder Deutschkenntnisse
Erfurt (jur). Unterschreibt ein Ausländer ohne Deutschkenntnisse einen in Deutsch verfassten Arbeitsvertrag, ist dieser grundsätzlich gültig. Der Arbeitnehmer kann sich nicht darauf berufen, dass er mit dem deutschen Arbeitsvertrag überrumpelt worden und dieser daher unwirksam ist, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 19. März 2014 (Az.: 5 AZR 252/12 (B) ).
Geklagt hatte ein in Portugal lebender Lkw-Fahrer. Er arbeitete vom 24. Juli 2009 bis 31. März 2011 bei einer deutschen Spedition mit Firmensitz in Pirmasens. Im März 2013 ging das Unternehmen pleite.
Wegen fehlender Deutschkenntnisse des Lkw-Fahrers wurde das Einstellungsgespräch in Portugiesisch geführt. Der Mann unterschrieb schließlich den in deutscher Sprache verfassten Formulararbeitsvertrag, ohne diesen allerdings zu verstehen.
Im April 2011 machte der Fahrer ausstehenden Lohn für Dezember 2010 in Höhe von 900 Euro brutto sowie Fahrkostenpauschalen in einer Gesamthöhe von 3.870 Euro geltend. Der Arbeitgeber und später der Insolvenzverwalter wollten dies nicht mehr bezahlen. Der Beschäftigte habe seine Ansprüche zu spät eingefordert. Denn laut Arbeitsvertrag hätte er innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit die Beträge beanspruchen müssen.
Der Beschäftigte gab sich überrascht. Er habe von der Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag nichts gewusst. Dieser sei auf Deutsch gewesen, was er aber nicht verstehe. Damit die Klausel wirksam sei, müsse er von dessen Inhalt „in zumutbarer weise Kenntnis“ genommen haben. Dies sei nicht der Fall gewesen. Der Arbeitgeber hätte den Arbeitsvertrag übersetzen müssen.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz stellte in seinem Urteil vom 2. Februar 2012 jedoch fest, dass der Arbeitsvertrag wirksam ist (Az.: 11 Sa 569/11, JurAgentur-Meldung vom 28. Februar 2012). Der Kläger habe den Vertrag „vorbehaltlos angenommen“. Einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber den Vertrag in die Muttersprache des Beschäftigten übersetzt, bestehe nicht. Der Lkw-Fahrer hätte vor dem Unterschreiben selbst den Vertrag übersetzen lassen können.
Das BAG stellte nun klar: Ein Arbeitsvertrag ist bereits mit der Unterschrift und dem Zugang wirksam und nicht erst dann, wenn der Arbeitnehmer diesen wahrgenommen und verstanden hat. Sonst müssten „jedwede individuellen Defizite“ berücksichtigt werden, betonten die Erfurter Richter. Selbst bei Schreiben mit Fremdwörtern oder Fachausdrücken müsste dann sichergestellt werden, dass der Empfänger diese auch verstanden hat. Dies sei mit dem Gedanken der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes unvereinbar.
Mit der Unterschrift habe der Kläger den Arbeitsvertrag mit seinem Gesamtinhalt angenommen. Dem stünden fehlende oder mangelhafte Sprachkenntnisse nicht entgegen. Niemand sei verpflichtet, einen in fremder Sprache verfassten Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Zu Recht habe das LAG darauf verwiesen, dass der Kläger sich den Vertrag auch hätte übersetzen lassen können. „Das Sprachrisiko trägt derjenige, der sich auf einen Vertrag in fremder Sprache einlässt“, urteilte das BAG.
Dennoch verwiesen die Erfurter Richter das Verfahren an das LAG zur weiteren Tatsachenfeststellung zurück. Es sei nicht klar, ob überhaupt allein deutsches Recht anzuwenden ist. Der portugiesische Kläger lebe in Portugal und war zudem als Lkw-Fahrer im internationalen Transportwesen unterwegs. Auch wenn der Arbeitsvertrag in Deutsch verfasst war und dies damit ein gewichtiges Indiz für eine stillschweigende Wahl deutschen Rechts ist, könne auch portugiesisches Recht greifen.
Dies hänge beispielsweise davon ab, wo der Kläger seinen gewöhnlichen Arbeitsort hatte und wo er beispielsweise seine Fahrten aufgenommen habe. Auch müsse geprüft werden, ob das in Portugal unterhaltene Büro des Unternehmens als Niederlassung gilt und ob dieses den Kläger eingestellt hat. Bei der Anwendung portugiesischen Rechts müsse geklärt werden, ob dieses überhaupt die im Arbeitsvertrag enthaltenen Ausschlussfristen erlaubt.
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